Sterbehilfeurteile und kein Ende
Ja, es nimmt kein Ende, aber warum? Ein neues Urteil sorgt wieder für Aufsehen. Ein Berliner Arzt stand vor Gericht wegen „Suizid-Hilfe“. Was ging dem voraus? Christoph Turowski, Facharzt für Innere Medizin im Ruhestand, „half“ seiner 44-jährigen, langjährigen Patientin Anja D. Sie litt seit fast 30 Jahren am Reizdarmsyndrom. Das bedeutete für die Patientin u.a. permanente Magen- und Darmschmerzen und –krämpfe, Erbrechen, Übelkeit, Blähungen, Verstopfung. Bis heute findet man keine körperliche Ursache und keine ursächliche Therapie, aber die Beschwerden können gelindert werden. Laut Apotheken-Umschau „ist ein Reizdarm nicht gefährlich, nicht lebensbedrohlich und verkürzt auch nicht die Lebenserwartung.“
Aufgrund der Erkrankung zerbrachen zwei Ehen, die Patientin vereinsamte. Der Arzt berichtete vor Gericht, dass seine Patientin in den vergangenen 30 Jahren fünf Suizidversuche unternommen hatte und sie ihm damit drohte, sich vor den Zug zu werfen. „In so einer Situation kann man einen Menschen doch nicht alleine lassen. Ich habe aus ärztlichem und christlichem Gewissen gehandelt,“ so der Arzt weiter.
Der Arzt verschrieb seiner Patientin zwei Rezepte mit Schlafmitteln, die, gemeinsam genommen, zum Tode führen würden. Anja D. schluckte die Tabletten und schickte dann eine SMS an Ihren Arzt mit dem Wortlaut: „Alles geschluckt, Danke.“ Der Arzt hatte mit seiner Patientin vereinbart, sie mehrfach zuhause aufzusuchen und nach ihr zu schauen. Das tat er auch, erstmals eineinhalb Stunden nachdem sie die Tabletten geschluckt hatte. Er fand sie bewusstlos vor, neben dem Bett lagen drei Abschiedsbriefe. In den nächsten Tagen besuchte er sie mehrfach, nach drei Tagen starb die Patientin. Der Arzt stellte den Totenschein aus, Todesursache: Herzversagen, Nierenversagen, Tablettenintoxikation. Im Krematorium in Hennigsdorf wurde die gesetzliche vorgeschriebene, zweite Leichenschau durchgeführt. Der dortige Arzt benachrichtigte aufgrund der im Totenschein angegebenen Todesursache die Kriminalpolizei.
Die Frage der Staatsanwaltschaft war nun: Tötung auf Verlangen oder nicht? Die Staatsanwaltschaft sah einige Tatbestände erfüllt. So führte sie an, dass die Patientin seit Jahren psychisch krank gewesen sei, der Arzt Mutter und erwachsenen Sohn unzulässig von der Rettung abgehalten habe und ein weiterer Punkt war eine Injektion, die die Patientin vor oder nach der Einnahme der Tabletten erhalten hatte. Wer gab Anja D. diese Injektion, die ein Erbrechen verhindern sollte? Die Staatsanwaltschaft vermutete, dass der Arzt diese gegeben habe und somit Tötung auf Verlangen vorliege. Der Arzt bestritt das.
Der Prozess endete mit einem Freispruch. Viele Fragen bleiben offen.