Nun melden sich explizit die Malteser zu Wort und warnen vor einer Erosion allgemeiner Grundlagen gesellschaftlichen Zusammenhalts. Mit der Nichtigerklärung des § 217 StGB „wird die Schutzwürdigkeit eines jeden Lebens als gesellschaftlicher Konsens in Frage gestellt. Dies widerspricht unserer christlichen Überzeugung“, erläutert Dr. Elmar Pankau, Vorstandsvorsitzender der Malteser in Deutschland.
Einerseits befürchten die Malteser, dass Druck auf alte und kranke Menschen ausgeübt werden könnte und der Eindruck entstehen könnte, dass der assistierte Suizid die „Lösung“ wäre, den Angehörigen nicht mehr zur Last zu fallen. Das würde zur einer Umkehrung der Gesellschaftswerte führen – es darf nicht geschehen, dass „Menschen sich dafür rechtfertigen müssten, wenn sie ihr Leben gemeinsam mit ihren Angehörigen und Vertrauten bis zuletzt leben wollen.“, so Pankau.
Andererseits ist eindrücklich dafür zu warnen, dass der assistierte Suizid zu einer normalen Form der Lebensbeendigung würde.
Hier finden Sie das Positionspapier der Malteser:
https://www.malteser.de/forderung-zum-gesetzesentwurf-assistierter-suizid.html
Peter Vanzo
Man muss sich darüber bewusst sein, dass im Christentum neben dem “normalen” Überlebenstrieb noch der “besondere” Überlebenstrieb in der Form etabliert wurde, als es dabei auf >die Vision von einem ewigen Leben<ankommt. Diese übersteigerte Verweigerung eines Lebensendes und somit die Nichtanerkennung des Todes in Kombination mit dem Unentbehrlichkeitswahn einzelner Egos hat zur Folge, dass bestimmte Verhältnismäßigkeiten in Bewusstseinsschieflage geraten.
So geschehen im Zitat von Herrn P., wenn er schreibt "… Menschen sich dafür rechtfertigen müssten, wenn sie ihr Leben gemeinsam mit ihren Angehörigen und Vertrauten bis zuletzt leben wollen.“
Ist es nicht umgekehrt, dass sich nämlich schmerzleidende, alte und müde Menschen dafür rechtfertigen müssen, wenn sie sich nach einem erfüllten Leben ein sanftes Ausklingen wünschen? Sie müssen sich stattdessen vor Züge werfen oder aus dem vierten Stock springen, anstatt würdevoll und auf ästhetische Weise gehen zu dürfen. Weil sie zuvor von Moralaposteln als unmündig behandelt wurden, als man ihren sehnlichen Wunsch nach suizidaler Unterstützung verweigert hat. Sowohl als Trauerredner als auch als Privatperson sind mir Fälle von Personen bekannt, denen man 80 oder 90 Jahre etwas von der Würde des Menschen vorgebetet hat und die davon in ihrem letzten Lebensabschnitt von dieser edlen Wertegesinnung keinen Gebrauch machen konnten.
Prof. Dr. Franco Rest
Wie wenig hilfreich: sowohl die Polemiken gegen “Sterbehilfevereine” als auch das gebetsmuhlenartige Fordern der Palliativversorgung. Beides ist vom BVG-Beschluss ausdrücklich gedeckt, also überhaupt nicht hilfreich. Stattdessen wäre es sinnvoll (gewesen), den gekippten § 217 als Ausgangspunkt eines verfassungskonformen Sterbegeleits zu nehmen. Dort hieß es in Absatz 2: “Als Teilnehmer (an einer Selbsttötung) bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen (also des Suizidwilligen) ist oder diesem nahesteht”. Die beiden letzten Worte wären der Schlüssel (gewesen), wenn sich die Hospizbewegung und also auch z.B. die Malteser dafür eingesetzt hätten (einsetzen würden), dass dabei ausdrücklich auch die vertrauten Mediziner / Ärzte wie Hausärzte, ohnehin “assistierende Palliativmediziner” usw. verstanden würden. Dann würde es wirklich um “freie Persönlichkeitsentfaltung” Sterbender und weniger um den Verkauf eines Suizid-Mittels wie Natrium-Pentobarbital oder um das Geschäftsmodell eines Dr-Death gehen.
Prof. Dr. Franco Rest
Vielleicht darf ich ergänzen mit einem Literaturhinweis: Franco Rest, Wer sich tötet, will nicht (nur) tot sein. Selbsttötung und ihre Assistenz. In: Ders., Christsein in christusferner Welt.Steinmann-Vlg.: Neuenkirchen 2020, 368 ff.