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Sterbehilfe ist auch in Frankreich ein umstrittenes Thema. Aktive Sterbehilfe, also einem Menschen ein tödlich wirkendes Mittel zu verabreichen, ist dort – wie auch in Deutschland – verboten. Passive Sterbehilfe durch das Abschalten von Apparaten und indirekte Sterbehilfe, bei der starke Medikamente Schmerzen lindern und als Nebenwirkung das Sterben beschleunigen, ist dagegen zulässig.
Mehr als ein Jahr haben sich etwa 200 Französinnen und Franzosen in einem Bürgerkonvent mit dem Thema befasst. Der Konvent hatte sich mehrheitlich dafür ausgesprochen, den Weg für aktive Sterbehilfe zu bereiten. Auch Frankreichs Ethikrat hatte erklärt, dass eine Anwendung unter strengen Voraussetzungen denkbar sei.
Eine Schlüsselfigur in dem Gesetzfindungsprozess scheint Jean-François Delfraissy zu sein. Er war im Vorstand des genannten Bürgerkonvents und steht seit fast einem Jahrzehnt dem französischen Ethikrat vor. Während der Covid-Pandemie war er als Immunologe zudem Chefberater der französischen Regierung. Als Immunologe hatte er zuvor Aidskranke betreut und am HI-Virus geforscht. Delfraissy hat daher eine klare Meinung, wie das Lebensende aus medizinischer und ethischer Perspektive zu gestalten ist. Die Auffassung findet sich im vorgelegten Gesetzentwurf wieder, der ab Ende Mai im französischen Parlament debattiert werden soll.
Im ersten Teil des Gesetzentwurfs geht es zunächst um die Stärkung der Palliativmedizin. In Frankreich sterben jährlich etwa 60.000 Menschen in der Palliativmedizin, das ist etwa jeder 10te Sterbefall. Selbst Präsident Macron sieht daher die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung: “Unser System der Begleitung am Lebensende ist schlecht an die modernen Erfordernisse angepasst.” So ist die Zahl der Palliativbetten zwischen 2019 und 2022 zwar von 7.500 auf mehr als 9.500 im Jahr 2022 gewachsen. Aber es wird nur langsam weiter aufgestockt und das Angebot ist zu ungleich verteilt: 21 Départements mit mehr als 100.000 Einwohnern haben keine Palliativbetten. Manche Region hat keine mobilen Palliativkräfte für Kinder. Und das Pflegepersonal hat sich die Palliativkultur nicht ausreichend angeeignet – mangels Ausbildung. In den nächsten zehn Jahren will Frankreich daher etwa elf Milliarden Euro in die Palliativmedizin investieren.
Im Weiteren sieht der Gesetzentwurf Voraussetzungen zur Umsetzung der aktiven Sterbehilfe vor:
- Erwachsene, voll zurechnungsfähige Menschen mit einer unheilbaren und kurz- oder mittelfristig lebensbedrohlichen Krankheit, deren Schmerzen sich nicht lindern lassen, sollen um Sterbehilfe bitten dürfen.
- Nach einer zweitägigen Wartezeit sollen Patienten innerhalb von zwei Wochen eine Antwort auf ihre Bitte erhalten.
- Die notwendigen Medikamente sollen sie sich, wenn möglich, letztlich selbst verabreichen.
- Die Medikamentengabe durch medizinisches Personal soll ausnahmsweise möglich sein.
- Die Entscheidung darüber, ob jemand aktive Sterbehilfe erhalten soll oder nicht, solle im Team getroffen werden, hieß es aus dem Élyséepalast.
- Mindestens zwei Mediziner müssten gemeinsam entscheiden.
- Gesundheitspersonal solle die aktive Sterbehilfe persönlich ablehnen können, Patienten dann aber weitervermitteln müssen.
Pflegeverbände und die französische Bischofskonferenz sehen den Gesetzentwurf kritisch: Die Vorstellungen des Präsidenten seien “weit von den Bedürfnissen der Patienten und dem Alltag des Pflegepersonals entfernt”, teilten sie mit. Die Bischofskonferenz warnte darüber hinaus vor einem Gesetz, das „den Tod als Lösung“ anbiete! “Was wirklich beim Sterben hilft, sind nicht tödliche Substanzen, sondern Zuneigung und Aufmerksamkeit.” Macrons Gesetzesentwurf setze Patienten unter massiven Druck.