Beschreibung
die hospiz zeitschrift Ausgabe Nr. 96
Halten – Gestalten – Bewegen.
Hospiz in der Transformationsgesellschaft
Der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband feiert in die- sem Jahr sein 30-jähriges Jubiläum.
Ein guter Grund sich darauf zu besinnen, was die Hospizbewegung geschafft hat und was sie im Kern ausmacht, was es zu schützen, für die Zukunft zu halten, zu gestal- ten und aufs Neue zu bewegen gilt. Wie kann sich das Hospizliche in Zeiten von Corona, Krieg, Klimawandel, Pflegenotstand, Digitalisierung, Diskriminierungen und Rassismus beharrlich weiter entfalten? Was können Akteur*innen der Hospizbewegung dafür tun und den gesellschaftlichen Auftrag verantwortlich umsetzen? Dies diskutierten die ehren- und hauptamtlichen Kolleg*innen aus Hospizarbeit und Palliativversorgung im Rahmen der Jubiläumstagung am 13. September 2022, initiiert und ausgerichtet von den Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirates des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbandes. Ihre Vorträge sind in diesem Jubiläumsheft veröffentlicht.
Klar, der Titel und seine Aussagekraft vereinen die Bei- träge, aber auch der Fokus auf die Ränder in der Gesellschaft, einschließlich im Feld von Hospiz- und Palliative Care. Es geht um die Stimmen, die leicht untergehen im Chor der Lauteren: die Angehörigen, Kinder, alternde Zuwander*innen und Menschen mit Migrationsgeschichte, wie auch Ehrenamtliche im Team der Professionellen. Und nicht zu vergessen: Arme und global betrachtet, die dem Hungertod nahe sind. Es geht um die Parteinahme für vulnerable Gruppen und Individuen.
Als Angehörigenforscherin widmet sich Karin Oechsle ihren oft ungehörten und „ungehörigen“ Stimmen. Sie beschreibt ihre Rollen und nimmt die Auswirkungen ihrer Probleme auf die Erkrankten und Sterbenden. Sabine Pleschberger schärft den Blick auf die spannungsreichen Kooperationsbeziehungen in der Hospizarbeit und erklärt, was zu tun ist. Sven Jennessen spricht aus der Perspektive der Kinder und Eltern in der Kinder- und Jugendhospizarbeit. Er gibt der Tatsache Ausdruck, dass Spenden in diesem Bereich nicht selten mit einer emotionalen, oder vielleicht besser, leiblichen Distanzierung verbunden sind. Helen Kohlen zeigt, inwiefern ein institutioneller Rassismus im Gesundheitswesen wirkmächtig in Bezug auf Mängel in der Begleitung von Patient*innen und Gästen mit Migrationsgeschichte ist, insofern es u.a. über mehrere Dekaden nicht gelungen ist, professionelle Dolmetscher*innen einzusetzen. Haci-Hali Uslucan verweist auf die kultursensiblen Bedarfe und Bedürfnisse von alternden Zuwander*innen. Neben einem Plädoyer für institutionelle Transformationen, spricht er sich für die Etablierung von Forschung zu interkulturellen Fragestellungen aus.
Die Lücken der Sorgearbeit vor Augen, formulieren Andreas Heller und Reimer Gronemeyer treffend: „Gebraucht wird jedenfalls eine umfassende zivilgesellschaftliche Sorgebereitschaft“. Sie stellen (in Anlehnung an Klaus Dörner) fest, dass jede und jeder für Menschen, die es brauchen gebraucht zu werden kann. Und dazu braucht es Unterstützung, Anschluss an Wissen und Erfahrung aus der Hospizbewegung, wie auch kollektive Reflexionsorte. Es wäre doch schön, wenn wir alle solche Orte finden, kreieren, am besten in Netzwerken von Beziehungen, die Menschen einladen, die kritische Stimmen einbringen.